Aplastische Anämie (AA)

Kurzbeschreibung:
Erworbene, idiopathische Form einer Knochenmarkaplasie mit peripherer Panzytopenie und leerem Knochenmark. Ursächlich wird von einem zellulär vermittelten Autoimmungeschehen mit Schädigung der hämatopoietischen Stammzelle ausgegangen. Die Krankheit ist sehr selten (Inzidenz 2/1'000'000/Jahr). Unbehandelt verläuft die Krankheit vor allem aufgrund von Infektkomplikationen (Pilzinfekte) früher oder später letal. Betroffen sind vorwiegend jüngere Erwachsene. Es existiert kein biologischer Test zum Nachweis der autoimmunen Ursache. Die Diagnose beruht deshalb auf dem Knochenmarkbefund und dem Ausschlussalternativer Ursachen einer Knochenmarkaplasie wie hereditären, medikamentös-toxischen oder viralen Formen.

Klinisches Bild:
Die Patienten präsentieren sich mit den Symptomen der Panzytopenie mit Müdigkeit, Schwäche und Leistungsintoleranz als Ausdruck der Anämie, Blutungszeichen als Ausdruck der Thrombozytopenieund Infekten als Zeichen derNeutropenie/Agranulozytose. Die Krankheit entwickelt sich in der Regel schleichend über Wochen bis Monate undzeigt unbehandelt meist einen chronischen Verlauf.

Therapie:
Die Behandlung beruht entweder auf einer kombinierten Immunsuppression mit Cyclosporin A (Sandimmun neoral) und Anti-Thymozyten-Globulinen (Immunserum aus Pferden gegen menschliche T-Zellen) oder auf einer allogenen hämatopoietischen Stammzelltransplantation. Aufgrund des Komplikationsrisikos wird bei Kindern und jüngeren Erwachsenen die Stammzelltransplantation, bei älteren Menschen die Immunsuppression vorgezogen.

Hämatologie:
Im Blutbild imponiert eine Panzytopenie mitAnämie, Retikulopenie, Neutropenie und Thrombozytopenie. Dysplasiezeichen fehlen. Aufgrund der peripheren Blutwerte wird die aplastische Anämie in drei Schweregrade eingeteilt:

     Neutrophile   Retikulozyten   Thrombozyten 
Nicht schwere apalstische Anämie  nsAA (non-severe AA)  < 1.0 x109/L  < 60 x109/L  < 100 x109/L
Schwere aplastische Anämie  SAA (severe AA) < 0.5 x109/L  < 40 x109/L < 20 x109/L
Sehr schwere aplastische Anämie  vSAA (very severe AA)   < 0.2 x109/L  < 40 x109/L  < 20 x109/L

Knochenmark:
Das Knochenmark ist hypozellulär bis aplastisch. Bei den schweren Formen ist das hämatopoietische Gewebe vollständig fehlend. Gelegentlich findet sich aber auch eine herdförmig angeordnete Resthämatopoiese in einem ansonsten leeren Mark. Typisch für die aplastische Anämie ist eine relative Vermehrung von Lymphozyten als Ausdruck des Autoimmungeschehens. Im Gegensatz zum hypozellulären myelodysplastischen Syndrom ist eine allfällige Resthämatopoiese zytologisch unauffällig ohne relevante Zeichen der Dysplasie. Die zytogenetische Untersuchung des Knochenmarks ist ebenfalls hilfreich zur Abgrenzung vom myelodysplastischen Syndrom.