Myelodysplastische Syndrome (MDS)

Kurzbeschreibung:
Die myelodysplastischen Syndrome (MDS) sind eine heterogene Gruppe klonaler Stammzellerkrankungen und zeichnen sich durch periphere Zytopenien, Dysplasiezeichen, ineffektive Hämatopoiese, Blastenvermehrung und einen häufigen Übergang in akute myeloische Leukämien aus. In der WHO 2008-Klassifikation gehören die MDS zu den myloischen Neoplasien und machen dort neben den akuten myeloischen Leukämien, den myeloproliferativen Neoplasien, den myelodysplastisch/myeloproliferativen Neoplasien und den myeloisch/lymphatischen Neoplasien mit Eosinophilie und abnormem PDGFRA, PDGFRB oder FGFR1 eine der fünf Subklassen aus.
Krankheitsmanifestation:
Mit einem medianen Alter um 70 Jahre handelt es sich um Krankheiten des alten Menschen. Über alle Altersgruppen genommen, beträgt die Inzidenz ca. 3-5/100'000/Jahr; bei den >70-jährigen beträgt sie aber >20/100'000/Jahr. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von Krankheiten, wobei die Krankheitsaktivität mit zunehmenden Dysplasiezeichen (eine betroffene Zellreihe versus 2 oder 3 betroffene Zellreihen) und zunehmendem Blastengehalt in Blut und Knochenmark (fehlend versus 10-20%) ansteigt. Entsprechend dem MDS-Subtyp (sie unten), stehen bei den niedermalignen MDS-Formen (MCUD, RARS, MDS 5q-) vor allem die Folgen der Zytopenien (Müdigkeit bei Anämie, Blutungen bei Thrombozytopenie, Infekte bei Neutropenie) im Vordergrund, während bei den höhermalignen MDS-Formen (RAEB-1, RAEB-2) die maligne Transformation in eine akute myeloische Leukämie mit entsprechend eingeschränkter Lebenserwartung von grösserer Bedeutung sind.

Mittleres Überleben
(Monate)
Zeit bis AML in 25% der Pat.
(Monate)
RCUD/RARS/MDS 5q- 99 nicht erreicht
RCMD 66 123
RAEB-1 28 23
RAEB-2 18 9

Hämatologie:
Im Blut besteht je nach MDS-Subtyp (siehe unten) eine oder mehrere Zytopenien (Anämie, Thrombozytopenie oder Neutropenie) sowie eine Ausschwemmung von myeloischen Blasten (fehlend bis <20%). Typisch sind Dysplasiezeichen der peripheren Blutzellen: Poikilozytose, Anisozytose und Makrozytose der Erythrozyten, fehlende oder verminderte Granulation sowie Kernsegmentationsstörungen (Pseudo-Pelger-Huët-Anomalie) bei den Neutrophilen sowie eine Makrozytose, Anisozytose und Granulationsstörung der Thromboyzten.

Knochenmark:
Das Knochenmark ist typischerweise hyperzellulär. Es gibt aber auch hypozelluläre MDS-Varianten sowie Formen mit Markfibrose. Charakteristisch ist die Diskrepanz zwischen gesteigerter Zellularität im Mark und schweren peripheren Zytopenien im Blut als Ausdruck der ineffektiven Hämatopoiese. Je nach MDS-Subtyp fehlen Blasten oder sind bis maximal 20% deutlich vermehrt. Dysplasiezeichen der Erythropoiese, Myelopoiese oder Megakaryopoiese sind für die Diagnose eines MDS zwingend, wobei mindestens 10% der Zellen einer Zellreiche Dysplasiezeichen aufweisen müssen.

Diagnostik:
Neben dem Ausschluss anderer, reaktiver Ursachen für Zytopenien und dem typischen morphologischen Befund in Aspirat und Biospie sind sowohl die Zytogenetik wie Hybridisierungsmethoden (FISH/CGH) für die Diagnosesicherung und die Prognose von grösster Bedeutung. Die durchflusszytometrische Immunphänotyopisierung wird in Zukunft für die MDS-Diagnostik ebenfalls eine grössere Rolle spielen.

Einteilung der myelodysplastischen Syndrome gemäss WHO 2008-Klassifikation:

Abkürzung MDS-Subtyp Blut Knochenmark
RCUD
- RA
- RN
- RT
Refraktäre Zytopenie mit unilineärer Dysplasie
  • Refraktäre Anämie
  • Refraktäre Neutropenie
  • Refraktäre Thrombozytopenie
Unizytopenie oder Bizytopenie
Keine oder seltene Blasten (<1%)
Dysplasien in ≥10% Zellen in einer Zellreihe
<5% Blasten
<15% Ringsideroblasten
RARS Refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten Anämie
Keine Blasten
≥15% Ringsideroblasten
Ausschliesslich erythroide Dysplasien
<5% Blasten
RCMD Refraktäre Zytopenie mit multilineärer Dysplasie Eine oder mehrere Zytopenien
Keine oder seltene Blasten (<1%)
Keine Auerstäbe
Monozyten <1.0 x 109/L
Dysplasien in ≥10% Zellen in ≥2 Zellreihen
<5% Blasten
Keine Auerstäbe
Ringsideroblasten vorhanden oder fehlend
RAEB-1 Refraktäre Anämie mit Blastenexzess-1 Eine oder mehrere Zytopenien
<5% Blasten
Keine Auerstäbe
Monozyten <1.0 x 109/L
Unilineare oder multilineare Dysplasien
5-9% Blasten
Keine Auerstäbe

RAEB-2 Refraktäre Anämie mit Blastenexzess-2 Eine oder mehrere Zytopenien
5-19% Blasten
Auerstäbe möglich
Monozyten <1.0 x 109/L
Unilineäre oder multilineäre Dysplasien
10-19% Blasten
Auerstäbe möglich
MDS-U Unklassifizierbares MDS Eine oder mehrere Zytopenien
≤1% Blasten
Eindeutige Dysplasiezeichen in <10% der Zellen von 1 oder mehreren Zellreihen bei gleichzeitig MDS-typischer Zytogenetik
<5% Blasten
MDS 5q- MDS mit isolierter del(5q) Anämie
Normale oder erhöhte Thrombozyten
Keine oder seltene Blasten (<1%)
Zytogenetik mit isolierter del(5q)
Megakaryozytenzahl normal oder gesteigert mit hypolobulierten Megakaryozyten-Kernen
<5% Blasten
Keine Auerstäbe