Akute myeloische Leukämie (AML)

Kurzbeschreibung:

Die akuten myeloischen Leukämien sind klonale Krankheiten der pluripotenten hämatopoietischen Stammzelle. Genetische Defekte führen zu abnormen Vorläuferzellen (Blasten), die einerseits ungebremst proliferieren und andererseits nicht wie die normale Hämatopoiese ausreifen. Durch die massive Vermehrung von Blasten im Knochenmark und später im Blut wird die Hämatopoiese vollständig verdrängt. Folge davon sind einerseits Zytopenien und andererseits, durch die massive Zellproliferation, zehrende Symptome wie allgemeine Müdigkeit, Gewichtsverlust, Fieber und Kachexie.

Klinisches Bild:
Akute myeloische Leukämien kommen in jedem Alter vor, sind aber im mittleren Lebensabschnitt und im höheren Alter gehäuft. Die Symptomatik ist geprägt durch den Zusammenbruch der Hämopoiese. Blässe, Müdigkeit und Schwäche gehen auf die Anämie zurück. Blaue Flecken und Petechien sind durch die Thrombozytopenie bedingt. Die Neutropenie führt zu Infektionen mit Fieber. Eine Vergrösserung von Leber, Milz und Lymphknoten tritt bei etwa der Hälfte der Patienten auf. Unbehandelt führt die Krankheit fast immer innerhalb von wenigen Wochen bis Monaten zum Tod.

Hämatologie:

Akute myeloische Leukämien sind mehrheitlich leukämisch, d.h. sie zeigen eine Ausschwemmung von Blasten ins periphere Blut mit entsprechend mässig bis sehr stark ehöhter Gesamtleukozytenzahl (gelegentlich >200x109/L). Seltener können sie auch aleukämisch verlaufen. In diesem Fall kann die Gesamtleukozytenzahl vermindert sein mit keinen oder höchsten ganz vereinzelten Blasten im Blut. Ein typisches Beispiel dafür ist die akute Promyelozytenleukämie. Meist besteht eine hyporegenerative, normochrome, normozytäre Anämie sowie eine Thrombozytopenie und Neutropenie bis Agranulozytose unterschiedlichen Ausmasses. Myeloische Blasten können klein (etwas grösser als ein Lymphozyt) bis sehr gross sein (grösser als ein Promyelozyten). Das Zytoplasma ist mittelbreit bis breit, tiefbasophil bis blaugräulich und kann ungranuliert, leicht granuliert oder sehr stark granuliert sein. Auch die Kernform ist variabel, von kleinen rundlichen Kernen bis grossen, unförmigen, zum Teil gelappten Kernen. Das Chromatin ist typischerweise sehr fein, mit meist einem bis mehreren Nukleolen. Auerstäbchen sind besonders grosse, längliche azurophile Granula und sind diagnostisch für eine AML oder ein RAEB-2.

Knochenmark:

Das Knochenmark ist in der Regel mässig bis stark hyperzellulär. Manchmal fehlt das Fettgewebe vollständig, man spricht von einem „packed marrow“. Die Blasten müssen per Definition >20% aller Zellen ausmachen, können aber auch >95% betragen. Die normale Hämatopoiese ist häufig fast vollständig verdrängt.

Klassifikation:
Die detaillierte Einteilung der akutem myeloischen Leukämien ist im Lexikoneintrag WHO 2008-Klassifikation aufgelistet. Diese Einteilung beruht im Gegensatz zur veralteten FAB-Klassifikation nicht nur auf morphologischen Kriterien, sondern versucht möglichst biologische Entitäten zu definieren, die sich bezüglich natürlichem Krankheitsverlauf, Prognose oder Therapieansprechen voneinander unterscheiden. Dazu werden auch anamnestische, klinische, immunologische, zytogenetische und molekulargenetische Kriterien mitberücksichtigt. Zum Beispiel sind die Gruppen der therapieassoziierten myeloischen Neoplasien und der AML mit myelodysplasie-assoziierten Veränderungen prognostisch generell schlecht. Auch gewisse genetisch definierte Leukämien, wir zum Beispiel die AML mit inv(3), RPN1-EVI1, können prognostisch ungünstig sein. Andere Leukämien mit definierten genetischen Läsionen, wie die akute Promyelozytenleukämie mit t(15;17), PML-RARA, die AML mit t(8;21), RUNX1-RUNX1T1 oder die AML mit inv(16), CBFB-MYH11, zeichnen sich durch eine gutes Ansprechen mit hohem Anteil an rezidivfreiem Überleben aus.

Diagnostik:
Die Abklärung bei Verdacht auf akute myeloische Leukämie ist komplex und beruht neben der Beurteilung des peripheren Blutbildes, des Knochenmarkaspirates und der Biopsie auf zytochemischen Färbungen, molekularen Analysen, der durchflusszytometrischen Immunphänotypisierung und der Zytogenetik.