Hämoglobin - Hämatokrit - Erythrozytenzahl - Erythrozytenindizes - RDW - Retikulozytenzahl - Retikulozytenproduktionsindex - Flowzytometrische Retikulozytenmessung
Hämoglobin (Hb)
Genauer ist die Bezeichnung Hämoglobinkonzentration, da die Hämoglobinmenge bezogen auf eine Volumeneinheit (Liter) gemessen wird. Die Hämoglobinkonzentration kann darum je nach Hydratationszustand des Patienten beträchtlich schwanken. In der Regel wird das Hämoglobin photometrisch gemessen.
Referenzbereich: Männer 135 - 170 g/L, Frauen 120 - 155 g/L.
Da bei hohen Leukozytenzahlen eine Trübung mit der Hämoglobinmessung interferiert, muss bei sehr hohen Leukozytenwerten (Grenzwerte je nach Zellzählgerät unterschiedlich) das Blut von Hand lysiert und zentrifugiert werden. Die Hämoglobinmessung erfolgt dann manuell im Leukozyten-freien Überstand.
Hämatokrit (Hk)
Der Hämatokrit entspricht dem Volumenanteil der Zellen am Blutvolumen. Der Wert wird entweder als Ratio (Liter/Liter) oder Prozent (Liter/Liter*100) ausgedrückt. Historisch wurde der Hämatokrit durch direktes Ablesen an einem blutgefüllten, zentrifugierten Röhrchen bestimmt. Die modernen Zellzählgeräte bestimmen den Hämatokrit rechnerisch aus der Erythrozytenzahl und dem MCV gemäss der Formel Hk (L/L) = Ec * MCV.
Referenzbereich: Männer 0.42 - 0.52 L/L, Frauen 0.38 - 0.48 L/L. Allgemeiner Richtwert ist 0.45 L/L.
Erythrozytenzahl (Ec)
Wie beim Hämoglobin handelt es sich bei der Erythrozytenzahl um eine Konzentrationsangabe, da der Wert pro Liter gemessen wird. Die Messung erfolgte früher mikroskopisch in der Zählkammer. Die heutigen Automaten erlauben jedoch durch die grosse Zahl untersuchter Erythrozyten eine viel genauere Messung.
Referenzbereich: Männer 4.3 - 5.9 x 1012/L, Frauen 3.9 - 5.5 x 1012/L.
Erythrozytenindizes
Die Erythrozyteninidzes geben Auskunft über die mittlere Grösse, den mittleren absoluten Hämoglingehalt und die mittlere Hämoglobinkonzentration pro Erythrozyt. Historisch wurden das Hämoglobin, der Hämatokrit und die Erythrozytenzahl gemessen und daraus MCV, MCH und MCHC berechnet. Die heutigen Zellzählgeräte messen Hämoglobin, MCV und Erythrozytenzahl und leiten daraus Hämatokrit, MCH und MCHC ab.
MCV (Mittleres zelluläres Volumen):
Die modernen Zellzählgeräte messen mittels Laser-Streulichteigenschaften oder Impedanzmethode direkt das Volumen der einzelnen Erythrozyten und berechnen daraus den Mittelwert (=MCV). Historisch wurde das MCV folgendermassen berechnet:
MCV (fl) = Hk (L/L) / Ec (1012/L).
Referenzbereich: 80 - 100 fl (Femtoliter = 10-15L).
MCH (Mittleres zelluläres Hämoglobin):
Das MCH entspricht der mittleren Hämoglobinmenge pro Zelle und wird folgendermassen berechnet:
MCH (pg) = Hb (g/L) / Ec (1012/L).
Referenzbereich: 27 - 33 pg (Picogramm = 10-12g).
MCHC (Mittlere zelluläre Hämoglobinkonzentration):
Das MCHC entspricht der mittleren Hämoglobinkonzentration im Erythrozyten und wird folgendermassen berechnet:
MCHC (g/L) = Hb (g/L) / Ec (1012/L) / MCV (fl).
Referenzbereich: 320 - 360 g/L
Die Erythrozytenindices erlauben es, Anämien näher zu definieren. So kann man auf Grund des MCV die Anämien in mikrozytär (Eisenmangelanämie, Thalassämie), normozytär (Begleitanämie, renale Anämie) und makrozytär (Megaloblastäre Anämie) einteilen. Das MCH ermöglicht eine Einteilung in hypochrom (Eisenmangelanämie, Thalassämie) und normochrom (Begleitanämie, renale Anämie). Meist, aber nicht immer, gehen die Begriffe mikrozytär/hypochrom, normozytär/normochrom und makrozytär/hyperchrom zusammen einher. Der MCHC-Wert wird oft als laborinterner Kontrollwert verwendet, da er bei den meisten Anämien normal bleibt. Ist ein Laborfehler ausgeschlossen, kann ein erhöhter Wert auf eine Sphärozytose, das Vorhandensein von Kälteagglutininen oder einer Exsikkose hinweisen. Ein verminderter MCHC-Wert kann bei schwerer Eisenmangelanämie vorliegen.
RDW (Red cell distribution width):
Die RDW ist ein Mass für die Grössenvariabilität der Erythrozyten und ist somit ein numerischer Ausdruck für die Anisozytose. Sie wird von Zellzählautomaten auf Grund folgender Formel errechnet:
RDW (%) = Standardabweichund des Ec-Volumens / MCV * 100
Referenzbereich: 11.5 - 14.5 %
Zusammen mit dem MCV erlaubt die RDW differentialdiagnostische Hinweise bei Vorliegen einer Anämie.
Normale RDW | Erhöhte RDW | |
Normozytär | Akute Hämolyse Sequestration durch Milz Begleitanämie Leukämie |
Autoimmunhämolyse Frühe Mangelzustände für Eisen, Vitamin B12 oder Folsäure Myelodysplastische Syndrome Primäre Myelofibrose |
Mikrozytär | Heterozygote Thalassämien Begleitanämie |
Eisenmangelanämie Homozygote Thalassämien (Myelodysplastische Syndrome) (Reine sideroblastische Anämie) |
Makrozytär | Aplastische Anämie Alkohol-induzierte Makrozytose |
Myelodysplastische Syndrome Vitamin B12- und Folsäure-Mangel |
Hilfreich ist die RDW bei der Unterscheidung zwichen Eisenmangelanämie und Begleitanämie.
RDW | >MCV | |
Eisenmangelanämie | erhöht | normal oder vermindert |
Begleitanämie | normal | normal oder vermindert |
Retikulozytenzahl
Da Retikulozyten in der Färbung nach Pappenheim bzw. May-Grünwald nicht erkennbar sind, müssen diese durch die sogenannte Supravitalfärbung (Anfärbung eines unfixierten Ausstrichs) zur Darstellung gebracht werden. Bei dieser Färbung sind die Retikulozyten an netzartigen Niederschlägen erkennbar. Die Retikulozyten werden im Mikroskop im Verhältnis zu den Erythrozyten gezählt. Der Normwert beträgt 0.5 bis 2 % der Erythrozyten. Dieser Wert korreliert gut mit der Tatsache, dass die Retikulozyten im peripheren Blut rund 1-2 Tage (ca. ein Hundertstel der Lebensspanne der Erythrozyten) benötigen, um zu Erythrozyten auszureifen.
Im klinischen Alltag sind Absolutwerte der Retikulozyten den Prozentwerten vorzuziehen:
Absolute Retikulozytenzahl (x109/L) = Ec (x1012/L) * Retikulozyten (%) / 100
Retikulozytenproduktionsindex (RPI):
Je jünger Retikulozyten aus dem Knochenmark ausgeschwemmt werden, umso länger ist ihre Ausreifungszeit und umso länger sind sie im peripheren Blut nachweisbar. Da dies zu falsch hohen Werten führt, ist es empfehlenswert, eine Korrektur vorzunehmen. Diese erfolgt in Abhängigkeit vom Hämatokrit und von der vorzeitigen Ausschwemmung der Retikulozyten aus dem Mark bei einer Anämie. Daraus ergibt sich der Retikulozytenproduktionsindex. Der Normwert beträgt 1.0. Ein Wert unter 1 bedeutet eine im Verhältnis zur Anämie unzureichende Produktion (= hyporegenerative Anämie).
RPI = Retikulozyten (%) / F
Beispiel bei Hk von 0.20 L/L: RPI = 7.5 % / 5.1 = 1.47
Korrekturfaktor F zur Berechnung des Produktionsindex | |||||||||||
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Hk | F | Hk | F | Hk | F | Hk | F | Hk | F | Hk | F |
0.10 | 12.4 | 0.16 | 6.9 | 0.22 | 4.4 | 0.28 | 3.0 | 0.34 | 2.1 | 0.40 | 1.4 |
0.11 | 11.0 | 0.17 | 6.4 | 0.23 | 4.1 | 0.29 | 2.8 | 0.35 | 1.9 | 0.41 | 1.3 |
0.12 | 9.9 | 0.18 | 5.9 | 0.24 | 3.8 | 0.30 | 2.6 | 0.36 | 1.8 | 0.42 | 1.2 |
0.13 | 9.0 | 0.19 | 5.5 | 0.25 | 3.6 | 0.31 | 2.5 | 0.37 | 1.7 | 0.43 | 1.2 |
0.14 | 8.2 | 0.20 | 5.1 | 0.26 | 3.4 | 0.32 | 2.3 | 0.38 | 1.6 | 0.44 | 1.1 |
0.15 | 7.5 | 0.21 | 4.7 | 0.27 | 3.2 | 0.33 | 2.2 | 0.39 | 1.5 | 0.45 | 1.0 |
Flowzytometrische Retikulozytenmessung:
Bei den modernen Zellzählgeräten wird die Retikulozyten-RNA mit einem Fluoreszenzfarbstoff angefärbt. Die Messung der Fluoreszenzintensität der Zellen erlaubt eine Einteilung der Retikulozyten in drei Gruppen:
MFR und HFR ergeben zusammen die IRF = immature reticulocyte fraction (Anteil unreifer Retikulozyten, Norm < 15%). Je höher der IRF, desto unreifer die Retikulozyten. Im Blutausstrich manifestiert sich dies als Polychromasie.
Senkungsrektion
Eigentlich gehört die Senkungsreaktion nicht zu den Parametern des roten Blutbildes. Da ihr Ausfall aber von verschiedenen Veränderungen der Erythrozyten abhängt, wird sie hier besprochen. So ist sie bei Anämien und Makrozytose beschleunigt, während sie bei Polyzythämie, Mikrozytose und Akanthozytose vermindert ist. Ein erhöhtes Fibrinogen (Entzündungen, Infektionen, Neoplasien) führt ebenfalls zu einer Beschleunigung der Senkungsreaktion.
Die Senkungsreaktion ist eine billige und schnell durchzuführende Untersuchung, die aber nicht mehr routinemässig eigesetzt wird. Sie ist ein
unspezifischer Indikator für entzündliche Prozesse. Da sie mit einer 24-stündigen Verzögerung ansteigt, wird bei akuten entzündlichen Prozessen dem schnell reagierenden C-reaktiven Protein (CRP) der Vorzug gegeben. Bei der Diagnose und zur Verlaufskontrolle von Polymyalgia
rheumatica und Arteriitis temporalis ist sie nach wie vor von Bedeutung. Weiter dient sie der Aktivitätsbestimmung der rheumatoiden Arthritis und anderer rheumatologischer Erkrankungen. Bei M. Hodgkin wird sie als prognostischer und als Verlaufsparameter nach der Therapie eingesetzt. Eine erhöhte Senkungsreaktion durch Paraproteine wird beim Multiplen Myelom beobachtet. Eine
Senkungsreaktion über 100 mm/1. h ist fast immer mit einer schwerwiegenden Grundkrankheit verbunden. Eine Schleierbildung bei der Senkungsreaktion ist ein Hinweis auf eine erhöhte Retikulozytenzahl.
Beim Vorliegen von Kälteagglutininen beobachtet man bei Zimmertemperatur eine beschleunigte Senkungsreaktion. Nach Inkubation des Blutes bei 37°C fällt sie jedoch deutlich niedriger oder sogar normal aus.
Norm: Männer 1 - 10 mm/1. h, Frauen 1 - 20 mm/1. h.
Mehr zur Durchführung und Interpretation der Blutsenkungsreaktion finden Sie im Kapitel "Hämatologische Labortechnik".